14.08.2007

Nachricht von einer Baustelle – Kommentar zu Gerald Matt´s Gastkommentar in der Presse. Samstag, 4. August 2007.

In Wien gibt es vier große kulturhistorische Museen, zu denen man noch das MAK dazuzählen könnte, das derzeit allerdings als Kunstbetrieb geführt wird. Drei davon fallen in den Bereich der Agenden des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK): das Technische Museum, das Museum für Völkerkunde und das Österreichische Museum für Volkskunde. Das Wien Museum agiert als viertes unter anderer Trägerschaft und anderen Voraussetzungen.

Wer den Kulturbericht des BMUKK liest, findet das Österreichische Museum für Volkskunde unter der Rubrik „Allgemeine Kulturangelegenheiten“. Im Kulturbericht bis zum Jahr 2000 war das Haus noch in der Reihe der Bundesmuseen gelistet. Diese Verschiebung mag verwundern, aber damals hat man die Beziehungen neu geordnet, und das Volkskundemuseum blieb seitdem im Budgetposten „Sonstige“.

Die strukturelle Arbeitsgrundlage des Museums basiert auf einem Hybrid aus selbständigem Trägerverein, dem BMUKK als Subventionsgeber und der Stadt Wien als „Quartiergeber“ im Gartenpalais Schönborn. Darüber hinaus wird seit 1974 in Kittsee, im nördlichen Burgenland, aus den Mitteln des BMUKK und der Burgenländischen Landesregierung das „Ethnographische Museum Schloss Kittsee“ betrieben. Beide Häuser unterlagen immer wieder schwankenden Interessenslagen der öffentlichen Stellen. Geld gab es immer, aber immer viel zu wenig, um Visionen umzusetzen. Es gibt zudem keine vertraglichen Vereinbarungen über die Höhe der Subventionen.
Erhaltungspflichten, Sanierungen und Betriebskosten belasten zunehmend das operative Budget des Museums. Stadt und Bund müssen für eine gemeinsame Anstrengung zur Verbesserung dieser Situation erst gewonnen werden.
Die Zahl der vom Bund am Museum bereitgestellten Posten hat sich in den letzten Jahren um ein Drittel reduziert.

Dennoch wird hier eine Sammlung mit rund 200.000 Objekten möglichst professionell betreut, mehrere Ausstellungen pro Jahr gemacht, internationale Projekte abgewickelt, publiziert, vermittelt und gesammelt. Und gerade jetzt befindet sich das Haus in einer Nachdenkphase über prospektive Konzepte zu Sammlung, Programm und öffentlicher Wahrnehmung. Das alles passiert im finanziellen Umfeld eines Jahresbudgets mit dem anderswo gerade einmal ein einzelnes durchschnittliches Ausstellungsprojekt entsteht.
Zugegeben, Volkskunde klingt nicht sexy, aber am Namen arbeiten wir auch.

Das Museum wird in der Öffentlichkeit unterschiedlich bis gar nicht rezipiert – das liegt zum Einen an der vorgeblichen Inkonsistenz des Programms, die in der Breite des hier vertretenen Kulturbegriffs liegt, am Namen selbst, aber auch – und vor allem – an der Tatsache, dass die Ergänzung fehlender Dachziegel oder ähnliches einfach wichtiger ist, als Plakate für die laufende Ausstellung.

Es fällt auf, dass der Diskurs über eine neu zu gestaltende Museumslandschaft fast ausschließlich von Seiten der Kunstmuseen geführt wird. Das erscheint logisch, da dort das Rennen um Besucherzahlen und um einen vorderen Platz in einer wie auch immer konzipierten „Hall of Fame“ kulturökonomischer Werkschau extrahart und gelegentlich auch kurios ist.

Kulturhistorische Museen funktionieren auf Grund ihrer Forschungsfelder – die sollten bei der Diskussion um Museum und Publikum nicht vergessen werden – und ihrer vielschichtigen Sammlungen völlig anders als Kunstmuseen: Sie haben sich mit der Erzählung von Geschichte(n) und gleichzeitig mit der Problematik von Geschichtskonstruktion auseinanderzusetzen, sie sollen gesellschaftliche Phänomene aufgreifen, sammeln und zeigen, sie müssen ihrem diversen und umfassenden Objektbestand entsprechende Pflege und Kontext angedeihen lassen. Kultur, wie sie in solchen Häusern gedacht und bearbeitet wird, ist ein dynamischer Prozess, innerhalb dessen es gilt, mitzuschreiben und – soweit es die Ressourcen ermöglichen – zu thematisieren. Ausstellungen sind dort letztendlich nur ein Bereich der geleisteten Kulturarbeit.

Was die Institution Österreichisches Museum für Volkskunde ausmacht, ist ihre moderate Größe und Eigenständigkeit: Das macht sie flexibel und nahbar für verschiedene Randbereiche und Schnittstellen kulturellen Ausdrucks. Wer das Programm der letzten Jahre verfolgt hat, wird einige qualitative Beispiele dazu finden. Gerald Matts angedeuteter Zweifel an einer Museumsholding ist berechtigt. Große Strukturen fördern Ineffektivität und Schwerfälligkeit. Vergessen Sie unter solchen Bedingungen dann die Mission Statements und verlieren Sie den Glauben an die thematische Freiheit und Kreativität! Welche Kraft im Beziehungsdreieck Geld – Quote – Content wird immer die stärkere sein? Leider funktioniert Öffentlichkeit und damit Politik über die ersten beiden Beziehungsfelder, das wird sich auch in großen Strukturen nicht ändern.

Die Idee zu einem Haus der Kulturen gab es von ministerieller Seite schon Ende der 1980er Jahre, verortet ausgerechnet am Gelände des heutigen Museumsquartiers. Nicht zuletzt die Völkerkunde selbst hat sich damals verweigert. Das realisierte Projekt Quai de Branly in Paris ist bei Fachleuten umstritten und das Konzept seiner Dauerausstellung ist zumindest zu hinterfragen. In Augenhöhe befinden sich dort zu Kunstwerken erhobene Objekte kolonialen und postkolonialen Sammelns.

Eine vielfältige Museumsszene, wie sie Gerald Matt eingangs als Chance der wichtigen und richtigen Intention der Ministerin sieht, ist nicht nur wünschenswert, sondern für einen Kulturstandort wie Wien auch notwendig. Daher sollte der Diskurs über kulturhistorische Museen von den Kunstmuseen und deren Wettbewerbsproblemen abgekoppelt werden und mit denen geführt werden, die ihn in ihrer alltäglichen Arbeit abwickeln.
Aufgaben, Themen und Notwendigkeiten unterscheiden sich zu sehr und die Quoten sind in der institutionalisierten Kulturwissenschaft sekundär.


Matthias Beitl
ist Kurator und stellvertretender Direktor am Österreichischen Museum für Volkskunde

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