30.11.2007

„Grenzenlose Einblicke“ Zugang für Menschen mit Behinderungen




Die Veranstaltung am Samstag, den 17. November 2007 wurde als Abschluss des von KulturKontaktAustria geförderten Konzepts für mehr Barrierefreiheit im Volkskundemuseum durchgeführt. Zur Teilnahme an der Podiumsdiskussion waren jene Experten für Barrierefreiheit geladen, die mich bei meiner Konzepterarbeitung mit kompetenten Ratschlägen ganz wesentlich unterstützt hatten. Manfred W.K. Fischer, freier Journalist, Rollifahrer und routinierter Museumsbesucher, verstand es, innerhalb seines Vortrags ein sehr anschauliches Bild von Barrieren in der Zugänglichkeit von Kultureinrichtungen für mobilitätsbeeinträchtigte Menschen darzustellen. Neben Erich Schmid, Professor am Bundesblindeninstitut in Wien, sprach Jo Spelbrink, Webdesigner und gehörlos, über unterschiedliche Arten der Wahrnehmung im integrativen Sinne. Christian Klein, Vertreter des Kuratorium Wiener Pensionistenwohnhäuser, berichtete über die grundlegenden Bedürfnisse von SeniorInnen an ein Museum und dessen Angebote. Meine als Einleitung geplante Konzept-Präsentation fand in abgekürzter Form statt, da erfreulicherweise innerhalb des interessierten Publikums, vorwiegend aus Ausstellungs-TutorInnen des Museums bestehend, sehr rasch angeregte Diskussionen entstanden. Auch der Besuch der Veranstaltung durch Theresia Haidlmayr, Behindertensprecherin der „Grünen“, sowie ihre sehr intensive Diskussionsteilnahme zeigten, dass die Neuorientierung des Museums mit Interesse wahrgenommen wird. Wenn auch über das Thema „Barrierefreiheit im Museum“ noch längst nicht alles gesagt werden konnte, bleibt doch die Tatsache der Erkenntnis, dass Menschen mit Behinderungen schon allein aufgrund der demographischen Entwicklung eine immer wichtigere Zielgruppe von Museen werden.
>Jene Museen, die sich bereits jetzt darüber Gedanken machen, wie ihre barrierefreie Zugänglichkeit gewährleistet werden kann, haben in Zukunft die Nase vorne und werden Anziehungspunkte für diesen Kundenkreis bilden - d.h. Menschen mit Behinderungen, deren Familien und Freunde. >(Zitat Manfred W.K. Fischer)

Brigitte Hauptner

15.10.2007

Bericht: Arbeit am Gedächtnis. Welche Dinge man von der Reise mitbringt.

Donnerstag , 27. September 2007, 18.00 Uhr
Matthias Beitl und Axel Steinmann (Museum für Völkerkunde, Wien) im Gespräch
Reiseroute:

0. Thema
Ausgehend von den Sammlungen im Depot eines ethnographischen Museums widmen wir uns Ethnographica und Reisemitbringseln, also Touristenware.
Frage: Gibt es einen Unterschied zwischen gezielt gesuchten Ethnographica und so genannten Reisemitbringseln, Souvenirs, diesen identitätsstiftenden Erinnerungsstücken?Welchen Stellenwert haben Ethnographica & Souvenirs in der Museumsarbeit & Erinnerungskultur?
Eine Reise in 10 Etappen zu den äußersten Polen des „Reinen“ und „Unreinen“.

1. Zitat Chris. Marker
Er erzählte mir von Sei-Shônagon, einer Ehrendame der Prinzessin Sadako Anfang des 11. Jahrhunderts der Heian-Periode. (...) Shônagon hatte eine Manie für Listen: die Liste der „eleganten Dinge“, der „trostlosen Dinge“ oder aber der „Dinge, die es nicht Wert sind, getan zu werden“. Eines Tages hatte sie die Idee, die Liste aufzustellen der „Dinge, die das Herz schneller schlagen lassen.“Chris. Marker, Sans Soleil

2. Das Museum
Ein Rückblick: Mit der Dezentralisierung der europäischen Welt seit dem Zeitalter der Entdeckungen hatte das unbekannte Fremde ‑ auch als Projektionsraum für eigene Träume und Visionen ‑ einen spezifischen Reiz gewonnen. Umfangreiche Sammlungen von Ethnographica, Geräten, Trachten, Götterbildern und anderes aus europäischen & nichteuropäischen Kulturen wurden angelegt, die den Beweis dafür liefern sollten, dass es die „Anderen“ gibt. Der Wunsch, durch das Zusammenstellen von materiellen Ausdrucksformen fremder Völker & Kulturen in einem speziell definierten Raum (seit der Renaissance in den Kunstkammern und Naturalienkabinetten, im Laufe des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in eigens dafür eingerichteten ethnographischen Sammlungen oder Museen), eine Gesamtsicht der Welt zu schaffen, der Drang, Dinge zusammenzustellen, um eine Ganzheit zu verstehen und Tradition und Erneuerung miteinander zu verbinden, ist ein einzigartiges europäisches Phänomen.

3. Vom Reisen I:
Wir sprechen mit mehreren Stimmen. Die Welt sieht sich als Vielzahl von Identitäten, umgeben von ihren Nachbarschaften und Umständen, untereinander verbunden durch Verkehrskreuze, die ihrerseits zu Orten werden und untereinander verbunden sind durch Wege, deren lokaler Charakter sich nur schwer ausmachen lässt. Aus Bewunderung für das, was es in der eigenen ökologischen Nische zu sehen gibt, fährt man um die ganze Welt. Der Körper, das Schiff, der Planet, alle bewegen sich, die Welt geht über von der Landschaft zum Panorama, vom Lokalen zu etwas Universellem. Der Aufbrechende, der Umherwandernde summiert in seinen Körper Routen, Landschaften, Bräuche, Sprachen, er mischt sie.
Wuchernde Verkehrskreuze, die einen lokalen Raum mit ihren Furchungen und Faltungen, ihren Schleifen und Schlingen, ihren Umhüllungen und Spalten füllen. Verallgemeinerte Verkehrskreuze: Orte, die Welt, Gärten, Wüsten, Ozeane und Meere, Länder und Ortsveränderungen, das so genannte Konkrete oder die vorgebliche Abstraktion, das Gedichtfragment und das Spektrum der Farben.

4. Aufbruch: Sehnsucht nach dem „Typischen“.
1824 verließ Karl Alexander Anselm Frh. von Hügel „die militärische Laufbahn, um sich zu einer großen Reise nach dem Oriente vorzubereiten. Dieselbe wurde 1830 angetreten. H. durchzog Vorderindien nach mehreren Richtungen, wandte sich dem Himalaya zu und schloß seine Reisen in Asien mit dem Besuche von Kaschmir ab (1835). Von Ostindien segelte H. nach Australien, verweilte namentlich am König-Georgs-Sunde sowie am Schwanenflusse längere Zeit und kehrte über die Philippinen nach Calcutta zurück. Die Rückreise nach Europa wurde 1836 über das Cap der Guten Hoffnung und St. Helena angetreten. In Wien traf H. zu Anfang des J. 1837 ein. Die Ausbeute dieser Reise in naturgeschichtlicher sowie in ethnographischer Beziehung war sehr reich, wie dies die umfangreichen, den k. k. Hofmuseen Wiens einverleibten botanischen und zoologischen Sammlungen, ferner die Mitgebrachten Handschriften, Druckwerke, Münzen, Webereien, Waffen, Tempelgeräthe, Schmucksachen etc. beweisen. Auch sehr viele lebende Pflanzen, namentlich aus Australien, sendete H. nach Europa und cultivirte sie in seiner Villa zu Hietzing nächst Wien. Dadurch wurde sein Garten ein wahres Eldorado und erfreute sich eines europäischen Rufes.“ (Allgemeine Deutsche Biographie, Band 13, Historische Commission bei der Königl. Akademie der Wissenschaften, Leipzig 1881, S. 308).

5. Ethnographica:
Gegenstände werden zu Museumsstücken durch die Vermittlung einer Kuratorin bzw. eines Kurators. Kein ethnographisches Objekt wurde je als solches hergestellt. Was zu Ethnographica geworden ist, wurde von Sammlern, Forschern, Reisenden oder Touristen ausgewählt, vor Ort aus dem angestammten Kontext herausgelöst und anschließend im Museum von einer Kuratorin oder einem Kurator klassifiziert, mit einem Namen und einer Inventarnummer versehen und einer Sammlung zugewiesen. Notgedrungen wurden Einschnitte vorgenommen: dies und jenes soll mitgenommen, eingesammelt, ausgestellt werden, das Objekt daneben jedoch nicht. Eine Auswahl bestimmt von den vorgestanzten Denkkategorien und Vorstellungen, die der Sammler damals oder die Kuratorin heute von der Welt und den Orten hat, aus denen die Dinge ursprünglich stammen. Das Erwählte ist Fragment, Ausschnitt aus einem Zusammenhang, exemplarisches Beispiel. Es verweist nicht länger uneingeschränkt auf das, wofür es ursprünglich geschaffen wurde, auf etwas Funktionelles („Ackerschleppe zum Glätten des gepflügten Bodens“) oder Symbolisches („Amulett zur Abwehr des Bösen“), das ihm zugrunde liegt, sondern auf die Macht des Menschen, Sinn zu verleihen, Bedeutung zu schaffen, Dingen, Handlungen und Ideen Namen zu geben, Kategorien festzulegen, mit denen die Wirklichkeit begriffen wird, beziehungsweise andere wiederum in Abrede zu stellen und somit einzelne Dinge oder Gruppen von Dingen sozial und symbolisch verschwinden zu lassen.
Ethnographica, das sind auch banale, kuriose, ungewöhnliche Erzeugnisse, durch Zufall an ihrem jetzigen Ort gestrandet, erst durch die Vergabe einer Inventarnummer und eines Namens interessant und zu Museumsobjekten geworden. Unschuldige Gegenstände, irgendwo zwischen Macht und Kontingenz angesiedelt. Niemandem würde es in den Sinn kommen, sich ihrer zu entledigen.

6. Die Suche nach dem „Reinen“:
Gehen wir mal auf die Reise mit Rudolf Trebitsch

Die Frage „Welche Dinge man von der Reise mitbringt, ist an sich provokant, denn wir haben es hier mit subjektiver Auswahl, Prämissen des Zufalls und der eigenen Prägung des Forschenden zu tun. Man denkt an Hans- Jürgen Heinrichs Einleitung zu Michel Leiris „ Das Auge des Ethnographen“. Er spricht von dem „geschulten und einengenden Blick des Ethnographen“ und von „entstellenden Prismen im Kopf“. Planung und vorgefertigte Routen sowie Kontaktpersonen definieren vorab die Funde und empirische Vorgehensweisen. Zudem definiert der Zeitgeist die Sammlungsdynamik. Die Auswahl von Objekten erfolgt gemäß dem Kanon, was man von der Reise mitnehmen muss.

Auf die Suche nach dem Reinen, dem Ursprünglichen hat sich Rudolf Trebitsch zum Anfang des 20. Jahrhunderts begeben. (1876 geb. 1918 gest.) Er war Mediziner, hat sich aber mehr für die Ethnologie interessiert und war Schüler von Rudolf Pöch, (Ethnograph, Anthropologe, Forschungsreisender, der sich mit Kinematographie und Tondokumentation beschäftigte). Trebitsch wandte sich den Sprachwissenschaften zu und zählte zu dem Interessentenkreis des damals gegründeten Phonogrammarchivs (1899). Der Archiv – Phonograph war ein relativ neues Gerät mit dem Trebitsch loszog, um aufzuzeichnen, was verloren zu gehen schien.

> mit so einem Gerät und mit der Mission Ethnographica zu sammeln, unternahm Trebitsch viele Reisen auf der Suche nach dem „Primitiven“, dem Ursprünglichen, im Sinne der kulturevolutionistischen Auffassung der Zeit. Sein Weg führte ihn u.a. 1906 nach Grönland, später nach Wales, in die Bretagne und 1913 in das Baskenland

Er hinterließ dem Museum für Volkskunde eine Sammlung von rund 800 Objekten, Aufnahmen im Phonogrammarchiv und dem Völkerkundemuseum eine Sammlung zu Grönland mit rund 280 Objekten.

Wilhelm Hein im Museum für Völkerkunde

Zitat: Unter der Überschrift Post XIV. 1902. Ethnographische Gegenstände gesammelt von Dr. Wilhelm Hein bei Gelegenheit der im Auftrage der kais. Akademie der Wissenschaften ausgeführten Reise nach Südarabien 1901‑02 findet sich im Inventarband des Museums für Völkerkunde mit der Jahreszahl 1902 in zierlicher, regelmäßiger Schrift folgender Eintrag: „Dr. Wilhelm Hein unternahm seine Reise nach Südarabien im Auftrage der k. k. Akademie der Wissenschaften um in Makalla von dem noch wenig bekannten Mahra-Dialekte Aufnahmen zu machen. Am 12. Dezember 1901 kam er nach Aden, wo er in der alten Araberstadt, von den Engländern ‘Camp’ genannt, einen 1monatlichen Aufenthalt nahm, um sich an Sitte und Sprache zu gewöhnen. Nebstbei schrieb er Somal- und Dschibertitexte auf und photographierte viele Frauen. Da der General-Gouverneur von Aden erklärte, dass er in Folge ausgebrochener Streitigkeiten keine Verantwortung für Makalla auf sich nehmen könne, ihn jedoch gerne mit den Regierungsdampfer nach Gischin, dem Hauptsitze der Mahra, senden würde, so fuhr er am 22. Jänner 1902 von Aden ab, und wurde in Gischin am 25. Jänner 1902 abends an Land gesetzt. Hier verblieb er 66 Tage von früh bis Abend Erzählungen und Gebräuche aufnehmend. Alle daselbst gesammelten Gegenstände wurden einer eingehenden Besprechung unterzogen, und alle heimischen Benennungen bis in die kleinsten Details verzeichnet. Auf der Rückfahrt hielt der Regierungsdampfer kurze Zeit vor Haura, wodurch auch einige Gegenstände von diesem Orte erworben wurden. Von 9. April bis 5. Mai wohnte er in Scheich Othman, daselbst wieder Somal- und Dschibertiaufnahmen machend. Hier sammelte er Gegenstände aus der nächsten Umgebung und aus dem Yemen. Die im Inventar zuletzt angeführten [Kleidungs-]Stücke stammen alle von Ali Ben Amer, einem Sokotraner, Fischer in Maskat, und Mohammed ben Awadh aus cInât im Hadramût. Diese zwei Leute brachte er mit nach Wien, wo sie sich 6 Monate bei ihm aufhielten. Marie Hein.“ Diese Notiz zur Südarabien-Expedition Wilhelm Heins schrieb seine Witwe am 9. Juni 1904.
Die Hein’sche Sammlung umfasst Produktions- und Transportgeräte, Nahrungs- und Genussmittel einschließlich Materialproben, Waffen, Hausrat, Kleidung und Schmuck, Körperpflege, Medizin, Spielzeug sowie Volksreligion. Nahe Shaikh cOthmān erwarben die Heins die vollständige Musterkollektion eines Töpfers. Zur Dokumentation der Musikinstrumente erstanden sie eine Kesseltrommel mit zwei Schlegeln, eine Zylindertrommel mit einem Korpus aus Abfallblech, eine Joch- und eine Kurzhalslaute sowie eine Doppelklarinette.

7. Was ist hier „rein“ & „typisch“?
Eine Tour d´Horizon über rezente aufgesammelte Objekte folgt. Dahinter zeigen sich Motive, die auf Identitäts- Repräsentations- und Verwertungsdiskurse verweisen. Das so genannte Authentische unterliegt also einem Zweck, die Dinge sind nie frei von Verkreuzungen. Doch die Frage lautet: was würde man auf einer gegenwärtigen Reise sammeln oder als Souvenir mitnehmen? Ist das Kaufhaus nicht der Ort des Typischen? Dort interagieren globale Produkte mit regionalen Durchmischungen oder regionale Produkte mit globalen Adaptionen.

8. Das Depot: Souvenirs, Ethnographica, Fragmente, Erinnerungskultur
Objekte, Ethnographica & Souvenirs erzählen stets etwas über die (unsere) vorgestanzten Formen des Erlebens und Sehens.
Jenseits ihres funktionellen und symbolischen Wertes dienen Souvenirs & Ethnographica als Dokument dafür, wie die Welt gesehen wurde und was man sich leisten konnte, um die Beweislast, des Dort-Gewesen-Seins zu erfüllen. Souvenirs & Ethnographica können als Formen des Abspeicherns von Erlebnissen, als fragmentarische Relikte der Einmaligkeit, angesehen werden.
In einer Zeit, in der das Zufällige jeder Klassifikation sich weitgehend herumgesprochen hat, könnte man in Anlehnung an den tausendjährigen japanischen Text „Kopfkissenbuch der Dame Sei-Shônagon“, die Suche nach den „Dingen, die das Herz schneller schlagen lassen“ aufnehmen und, seinem vagabundierenden Gedächtnis folgend, diese Überbleibsel nicht mehr rekonstruierbarer Welten nach persönlichen Vorlieben anordnen. Die Bezugslosigkeit der Gegenstände zueinander lässt sie zu Trägern unbekannter Geschichten werden, zu fragmentarischen Standbildern undurchdringlicher Lebensvorgänge.
Durch bloße Geschehnisse strampeln, Darstellungen ausdenken, wie sie miteinander zusammenhängen, das ist, woraus Erkenntnis und Illusion in gleicher Weise bestehen (Geertz, Spurenlesen, S.9)

Die im Grunde stummen Objekte bleiben aussagekräftig: über sich selbst, über die Sammlung und über die Institution hinaus, und so sind sie auch zu gebrauchen. Worauf sie aber verweisen sollten, ist eine Wahl. Man muss darum über sie bestimmen und sie entweder wehmütig über eine entschwundene Welt sprechen lassen oder aber von den Grundbedingungen der Erdbewohner.

9. Ein Plädoyer für das „Unreine“
Seit dem 16. bis ins späte 19. Jahrhundert fertigten Meisterhandwerker in den Bazaren von Isfahan und Teheran für den Hof des Schah und die begüterte Oberschicht Lackarbeiten aller Art an: Etageren, Spiegelkästchen, Deckeldosen, Büchsen, Flaschen, Fächerbehälter, Buchdeckel, Spielkarten oder Behältnisse für Schreibzeug. Die gewählten Illustrationen auf der vorliegenden Schatulle, Madonna mit Kind und Maria Magdalena, die Heilige Familie, verweisen auf die engen Kulturkontakte zwischen Iran und Europa, die ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bis zum Ende der Qajaren-Dynastie im Jahr 1925 Malerei und Kunsthandwerk in Persien nachhaltig beeinflussten.
Heute wissen wir, dass die Welt draußen, die europäische wie außereuropäische, wie sie in den ethnographischen Museen dargestellt wurde, sich nicht aus stillstehenden, geschichtslosen, leicht abgrenzbaren und einzigartigen Kulturen zusammensetzt. Das Museum lässt sich, falls dies überhaupt jemals möglich war, nicht länger als Spiegel für die eigene Vergangenheit oder Gegenwart heranziehen. Wir leben im Zeitalter der Kulturvermischungen, in der Ära der Migrationen, der Zweideutigkeiten und Reisekulturen. Ortsveränderungen bringen die Zugehörigkeiten durcheinander, die eigene Identität entpuppt sich als Summe oder Kombination aus Andersartigem: gleich den Sammlungen ist sie selbst aus Fragmenten aufgebaut.
Ein ethnographisches Museum müsste vor diesem Hintergrund zwangsläufig ein Museum der Schrägheiten und Hybriden werden, ein Haus der Globalkultur. Es müsste weniger das Reine als das Unreine zeigen, weniger das Ursprüngliche als das Geschaffene, weniger das Vergangene als das, was ständig neu entsteht. Es müsste davon Zeugnis ablegen, dass alles seine materielle und ideologische Genese hat, dass das Einzigartige, das „Unikat“ ein Getauschtes und Abgewandeltes, ein Kompositum, ein vielfach Zusammengekommenes ist, eine komplexe Verschmelzung von Verfügbarem und neu Gesuchtem. Das Museum wäre mithin jener Ort, wo hinter dem Glanz des Gegenstandes, hinter dem Zauber der Gestalten und Formen, hinter der Qualität der Materialien ein komplizierter Prozess des Tradierens und Vermittelns sichtbar werden müsste. Ein Geben und Nehmen zwischen Völkern und Kulturen.

10. Vom Reisen II
Der Reisende, der Wanderer, der Weltbürger hat die abscheuliche, tödliche Leidenschaft der Zugehörigkeit, die für fast alle Verbrechen der Weltgeschichte verantwortlich ist, die weit reichende Macht des Hasses und des Ressentiments im Raum und in der Geschichte hinter sich gelassen. Ortsveränderungen bringen die Zugehörigkeiten durcheinander, aber sie fassen die Summen auf der Basis einer uralten, unvergessenen lokalen Erfahrung. Identität als Summe oder Kombination aus Andersartigem. Wir müssen die Verbindung zwischen dem Lokalen und dem Globalen neu sehen und immerfort neu aufsuchen, zu „Abenteuerreisen“ ohne Ende aufbrechen.

11.09.2007

Bericht: Geschichten aus dem Museumsalltag / Hermann Hummer: „Keine Ahnung!“


Donnerstag, 6. September 2007, 18.00 Uhr

Wie kommen die vielen Bücher in die Bibliothek?

Sammeln, sammeln, sammeln. Viel kommt ins Haus und normalerweise nichts mehr außer Haus. Dinge werden einer Autopsie unterzogen und verzeichnet. Nicht nur um sie später wiederfinden zu können, sondern auch um den Besitzanspruch an diesem Ding festzuschreiben.
Man vergibt Inventarummern, seziert, riecht, stempelt, beschriftet, liebt, verwahrt, streichelt, sucht, findet, bietet an, präsentiert.
Ich genieße den detektivischen Umgang mit den alltäglichen Irritationen meines Bibliothekarberufes, die Überraschungen die an vielen Ecken einer labyrinthischen Bibliothek lauern können.
Das Auftauchen verschollen geglaubter Dinge zum Beispiel. Wie gezeigt anhand des Objektes mit der Inventarnummer 163 N:34 [=“Situations Plan Litt. B. Zum Stadt Erweiterungs Plan von Wien]. Wie man aus dem Auditorium hören konnte, höchstwahrscheinlich ein Unikat, ein Beitrag des Architekten Ludwig Christian Försters zu dem im Jahre 1858 stattgefundenen Ideenwettbewerb für die Verbauung der Befestigungsanlagen rund um die innere Stadt Wien.
Der zweite Teil des Abends war einer langwierigen Suche nach Albert Wesselski gewidmet.
Das Volkskundemuseums besitzt eine Menge Bücher dieses Märchenforschers. Anfängliche Recherchen zur Person Wesselskis waren von Neugier und Frustration getragen. Nirgendwo in der einschlägigen Handbibliothek fand ich diesen Menschen verzeichnet oder geehrt. Und leider sind wichtige Enzyklopädien und Lexika in ihrer Bearbeitung noch nicht beim Buchstaben W angekommen.
Was macht diesen Autor, Herausgeber, und Kommentator vieler Werke so interessant?
Nun, viele Bücher seiner Bibliothek, welche das Österreichische Museum für Volkskunde über Umwegen in seinen Bestand integrieren konnte, sind mit seinen Notizen versehen.
Die wenigen von mir über ihn aufgespürten Eckdaten möchte ich hier zur Kenntnis bringen.
Albert Wesselski, geboren 1871 in Wien gestorben 1939 in Prag. Lt. Definition in Kürschners dt. Literaturkalender von 1917 ein deutsch-österreichischer Schriftgelehrter, bewandert in vergleichender Literaturwissenschaft und hist. Volkskunde.
Am 13. Juli 1935 an der Uni Graz als Privatdozent zur Lehre zugelassen, fiel er ebendort 1938 aus rassischen Gründen in Ungnade und wurde von dieser Universität entfernt. Seine Bibliothek wurde einem von Karl von Spieß geleiteten Institut für Mythenforschung in Wien eingegliedert. Ein Teil der Bibliothek dieses Institutes wurde nach dem Krieg dem Volkskundemuseum überlassen.
Neuerer Rezeption zufolge zeigte Wesselski revolutionäre Ansätze in seinen Forschungsarbeiten zur Gattung Märchen. Sein Denken versucht man in die zeitgenössische europäische Kunst- und Kulturtheorie einzubetten und sein Versuch einer Theorie des Märchens soll die Methodik der Märchenforschung Anfang der Dreißiger Jahre des 20. Jhdts. schulbildend beeinflusst haben
Viele Fragen stellen sich, die zu beantworten vielleicht eine lohnende wissenschaftliche Forschung fähig wäre.
Unter welchen Umständen, in welcher persönlichen Verfassung stirbt Wesselski am 2. Februar 1939 in Prag.
Wie verlief der Weg der Bibliothek Wesselskis von seiner Eingliederung in ein mehr als fragwürdiges Institut bis hin zur „Teil“-übernahme durch die Bibliothek des Volkskundemuseums.
Wann ist die Eingliederung in das Institut für Mythenforschung passierte?
Hat Wesselski von sich aus seine Arbeitsbibliothek dem Institut überantwortet?
Oder geschah diese Eingliederung erst nach seinem Ableben?
Welchen wissenschaftlichen Wert stellen die oft mit handschriftlichen Notizen versehenen Bücher dar? Darin finden sich immer wieder beigelegte Zeitungsausschnitte, fein säuberlich beschriebene Notizzettel, Briefe etc.
Vielleicht wird das Material eines Tages aus seinem wissenschaftlichen Dornröschenschlaf geweckt. Ein erster Schritt meinerseits wurde hiermit gesetzt.

10.09.2007

BERICHT: Sinnlichkeit










In der Reihe Geschichten aus dem Museumsalltag stellt die Vortragende Claudia Peschel-Wacha am 30. August 2007 zunächst anschaulich die FÜNF SINNE (Tasten, Schmecken, Riechen, Sehen und Hören) anhand von Definitionen seit der Antike und Darstellungen in der bildenden Kunst im Verlauf der letzten Jahrhunderte vor. In diesem Zusammenhang kommt sie auf ein im Volkskundemuseum befindliches Objekt zu sprechen: die berühmte Völkertafel aus dem 18. Jahrhundert. Dort sind auch kuriose sinnliche Eigenschaften wie die „Zärtlichkeit der Griechen“ oder die „Wollust der Engländer“ vermerkt. Da ab der Neuzeit „Sinnlichkeit“ verstärkt mit Erotik gleichgesetzt wurde, ist es nachvollziehbar, dass in der christlichen Kunst die Darstellung der Sinne eher kurz kommt. Frau Peschel-Wacha bittet daher das Publikum um Mithilfe bei ihrer Suche nach ikonographischen Beispielen und legt eine Leseliste zum Thema auf. Bei ihrer Recherche ist sie auch auf genderspezifische Aspekte gestoßen – wie etwa die Klassifizierungen in so genannte „höhere“ und „niedere“ Sinne, wobei erstere (das Hören und Sehen) eher als männlich betrachtet und letztere (das Schmecken, Riechen und Tasten) eher als weiblich angesehen werden.

Sie referiert über den sinnlichen Umgang mit Dingen bei der Produktion, bei der Verwendung und beim Sammeln. Der Großteil der im Museum befindlichen Objekte hat alle drei Stadien durchlebt, doch einige, etwa Töpferware, sind direkt vom Erzeuger ins Keramikdepot gelangt. Es folgen Impulse für ein anschließendes Publikumsgespräch: „Sterben“ die Gegenstände durch den Verlust sinnlicher Kontakte bei der Lagerung in einem Depot? Darf ein Museumskustos im Gegensatz zum Sammler beim Umgang mit Objekten Emotionen haben? Ist fehlende menschliche Wärme ein Grund für lustvolles Sammeln von Gegenständen? Empfinden wir, die wir im Besitz von unzähligen Dingen sind, heute noch Zuneigung für sie?

Claudia Peschel-Wacha plädiert für Wellness im Museum durch verstärkte Sinnestätigkeit beim Besuch einer Ausstellung und sieht es als Aufgabe der Kulturvermittlung, Wahrnehmungen aus verschiedenen Sinnen zu bieten, um ein Bewusstsein für die Eigenschaften der Gegenstände zu schaffen. Sie liefert Geschichten aus der Praxis der Belebung der Sinne bei Gruppenprogrammen im Museum und überrascht mit unter den Sitzen versteckter Keramik. Das Publikum folgt gerne ihrer Einladung, die Objekte zu „streicheln“, dem Klang der Dinge zu lauschen, den spezifischen Geruch der ungebrannten Objekte zu erkennen, die „Kusshäferln“ oder „zerwutzelten Vasen“ untereinander zu tauschen, zu kommunizieren. Das Publikum ist sogleich im Gespräch vertieft: ein gelungener „be-greifender“ Workshop!

Gegen Ende Ihrer Ausführungen verweist sie auf Richtlinien für einen verbesserten Zugang von Menschen mit Seh- bzw. Hörbehinderungen sowie mit Migrationshintergrund, die zur Zeit mit Unterstützung von Kultur Kontakt Austria von Expertinnen erarbeitet werden. Im November werden sie im Rahmen eines museum_inside_out Aktionswochenendes präsentiert. Es folgen etliche Wortmeldungen aus dem Publikum: Ob wissenschaftliches Arbeiten ohne Emotionen überhaupt möglich sei? Wie es zu der Trennung in „höhere/niedere“ Sinne kam, und wieso wieder einmal das Schöpferische/Künstlerische dem Manne vorbehalten bleibt. Darauf reagieren in einer Wortmeldung sowohl Elisabeth Timm („Es gäbe eben eine unterschiedliche Betrachtung des kulturellen Lebens von Mann und Frau“) als auch Peter Kukelka („Kunstbegriff sei heute anders, einen „Homo Faber“ wie früher gäbe es heute nicht mehr“).
Als Überleitung zum Impulsreferat am 6. September mit dem Bibliothekar Hermann Hummer folgt eine weitere Einladung: zum Schnüffeln von in Samt oder Leder gebundene Bücher oder solche, wo der Holzwurm Spuren hinterlassen hat. Wie fühlen sie sich an? Wie riechen sie? Wieso hat das Buch mit dem Titel „Erotik“ ein Plastikcover mit Reißverschluss?
Katharina Richter-Kovarik

31.08.2007

Abschied von unseren Volontärinnen


Heute verabschieden wir nach 2 Monaten intensiver Arbeit unsere Volontärinnen Bettina Kletzer, Astrid Pfeiffer und Maria Seidl.

Wir sagen herzlich Danke für den Einsatz und die vielen Inputs.

Die Kuchen waren lecker - hier die Rezepte:

Schokotorte à la Astrid:
25 g Kakaopulver
100 g dunkle Schokolade in Stückchen (mind. 70% Kakaoanteil)
50 g Butter
175 g Caster Zucker (golden)
4 große Eiklar
85 g Mehl
(evt. 4 Teelöffel Brandy)

Ofen auf 190° C vorheizen. Form ausbuttern. Kakao, Schokolade, Butter und 140g des Zuckers in einen feuerfesten Topf mit 100 ml Wasser vermengen und auf der Herdplatte schmelzen lassen (kein Wasserbad, sondern direkt aufkochen lassen), auskühlen lassen. Eischnee aus den vier Eiern schlagen, den verbleibenden Zucker dazu mischen, Mehl vorsichtig unterheben.
Ausgekühlte Schokomasse langsam mit den Schneegemisch vermengen. In Form füllen und ca. 30 Minuten backen.

Lambada-Schnitten à la Bettina:
5 Dotter
250 g Staubzucker
1/8 l Öl
1/8 l Kaffee (kalt)
2 Esslöffel Kakao
200 g Mehl
1 Pkg. Backpulver
5 Eiklar

Dotter und Staubzucker verrühren, Öl und Kaffee nach und nach dazurühren, Mehl, Kakao und Backpulver dazugeben und zum Schluss den Eiklar-Schnee unterheben. Auf ein Blech und bei 180°C backen.

Creme:
3/4 l Orangensaft
4 Esslöffel Zucker
2 Pkg. Vanillepuddingpulver

Zu einem Pudding kochen und lauwarm auf den Kuchen streichen. Auskühlen lassen.
Gedeckte Apfelschnitten à la Maria:
600 g Mehl
300 g Butter
140 g Zucker
1 Ei, 1 Dotter
1 Teelöffel Backpulver
Zitronensaft
Zitronenschale
Fülle:
1,5 kg Äpfel, Zucker (je nach Geschmack), Zimt

Mürbteig bereiten – die Hälfte des Teiges auf ein Blech ausrollen, Äpfel in Spalten schneiden oder hacheln, auf den Teig verteilen mit Zucker und Zimt bestreuen und mit der zweiten Teighälfte abdecken, mit der Gabel Löcher in den Teig stechen, bei ca. 190° 20-30 Minuten backen.

21.08.2007

Was gibt es Altes?


Das Wochenende vom 18. und 19. August stand im Zeichen unbekannter Objekte. Die KuratorInnen der Grafik-, Foto-, Keramik- und Holzsammlungen präsentierten Objekte, zu denen keine Informationen vorhanden sind oder bei denen sich im Laufe der Bearbeitung Fragestellungen zu Verwendung bzw. Funktionsweise gestellt haben. Beim Quiz "Was gibt es Altes?" war das Publikum eingeladen, diese rätselhaften Objekte zu erforschen und Hinweise zu geben, die sofort auf Blätter notiert wurden, die bei den Objekten auflagen.
In vielen interessanten Gesprächen tauchten immer wieder überraschende Ideen und Assoziationen auf, die die Klassizifierung der Objekte in völlig neue Richtungen lenkten. Einige Objekte konnten klar identifiziert werden, z.B. ein Fachbogen für Wolle und ein Zündholzbehälter mit Anreibefläche.
Die BesucherInnen wünschten sich eine Fortsetzung des Programms, der direkte Kontakt mit den Objekten war für viele neu und spannend.

19.08.2007

Johann Georg Kieningers Mutter

Johann Georg Kieninger stammt aus Hallstatt im Salzkammergut, wo er sich als Salzarbeiter verdingte und 1899 70-jährig starb. Von Kindheit an beschäftigte er sich mit mechanischen und Schnitzarbeiten, die schon bald sein großes Talent erkennen ließen. Die Arbeiten wurden direkt oder über Verleger an Touristen und Sommerfrischler verkauft und sicherten ihm einen bescheidenen Zuverdienst.

Wann die Figur seiner alten Mutter, der "Baderin" von Hallstatt, entstand, ist nicht bekannt. Sie wurde 1898, kurz vor Kieningers Tod, von Michael Haberlandt direkt beim Künstler zusammen mit anderen Arbeiten angekauft. Die lebenstreue Darstellung der Frau, die an einem Tisch mit Arbeitszubehör sitzend auf ihre Kundschaft wartet, dokumentiert das familiäre Milieu des Schnitzers. Die Porträttreue der Figur wird durch eine Bleistiftskizze aus Kieningers Hand bestätigt, die seine Mutter am Sterbebett zeigt.

Die beiliegende Abbildung der "Baderin" dokumentiert, dass im Laufe der Zeit Teile der Schnitzfigur verloren gegangen sind. Eine Art Balg?, der neben dem rechten Arm am Tisch aufliegt, und ein Kissen hinter dem Rücken.

Literatur
Haberlandt, Michael: Werke der Volkskunst mit besonderer Berücksichtigung Österreichs. J. Löwy, Wien 1914. Abb. Tafel V, Figur 7

14.08.2007

Nachricht von einer Baustelle – Kommentar zu Gerald Matt´s Gastkommentar in der Presse. Samstag, 4. August 2007.

In Wien gibt es vier große kulturhistorische Museen, zu denen man noch das MAK dazuzählen könnte, das derzeit allerdings als Kunstbetrieb geführt wird. Drei davon fallen in den Bereich der Agenden des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK): das Technische Museum, das Museum für Völkerkunde und das Österreichische Museum für Volkskunde. Das Wien Museum agiert als viertes unter anderer Trägerschaft und anderen Voraussetzungen.

Wer den Kulturbericht des BMUKK liest, findet das Österreichische Museum für Volkskunde unter der Rubrik „Allgemeine Kulturangelegenheiten“. Im Kulturbericht bis zum Jahr 2000 war das Haus noch in der Reihe der Bundesmuseen gelistet. Diese Verschiebung mag verwundern, aber damals hat man die Beziehungen neu geordnet, und das Volkskundemuseum blieb seitdem im Budgetposten „Sonstige“.

Die strukturelle Arbeitsgrundlage des Museums basiert auf einem Hybrid aus selbständigem Trägerverein, dem BMUKK als Subventionsgeber und der Stadt Wien als „Quartiergeber“ im Gartenpalais Schönborn. Darüber hinaus wird seit 1974 in Kittsee, im nördlichen Burgenland, aus den Mitteln des BMUKK und der Burgenländischen Landesregierung das „Ethnographische Museum Schloss Kittsee“ betrieben. Beide Häuser unterlagen immer wieder schwankenden Interessenslagen der öffentlichen Stellen. Geld gab es immer, aber immer viel zu wenig, um Visionen umzusetzen. Es gibt zudem keine vertraglichen Vereinbarungen über die Höhe der Subventionen.
Erhaltungspflichten, Sanierungen und Betriebskosten belasten zunehmend das operative Budget des Museums. Stadt und Bund müssen für eine gemeinsame Anstrengung zur Verbesserung dieser Situation erst gewonnen werden.
Die Zahl der vom Bund am Museum bereitgestellten Posten hat sich in den letzten Jahren um ein Drittel reduziert.

Dennoch wird hier eine Sammlung mit rund 200.000 Objekten möglichst professionell betreut, mehrere Ausstellungen pro Jahr gemacht, internationale Projekte abgewickelt, publiziert, vermittelt und gesammelt. Und gerade jetzt befindet sich das Haus in einer Nachdenkphase über prospektive Konzepte zu Sammlung, Programm und öffentlicher Wahrnehmung. Das alles passiert im finanziellen Umfeld eines Jahresbudgets mit dem anderswo gerade einmal ein einzelnes durchschnittliches Ausstellungsprojekt entsteht.
Zugegeben, Volkskunde klingt nicht sexy, aber am Namen arbeiten wir auch.

Das Museum wird in der Öffentlichkeit unterschiedlich bis gar nicht rezipiert – das liegt zum Einen an der vorgeblichen Inkonsistenz des Programms, die in der Breite des hier vertretenen Kulturbegriffs liegt, am Namen selbst, aber auch – und vor allem – an der Tatsache, dass die Ergänzung fehlender Dachziegel oder ähnliches einfach wichtiger ist, als Plakate für die laufende Ausstellung.

Es fällt auf, dass der Diskurs über eine neu zu gestaltende Museumslandschaft fast ausschließlich von Seiten der Kunstmuseen geführt wird. Das erscheint logisch, da dort das Rennen um Besucherzahlen und um einen vorderen Platz in einer wie auch immer konzipierten „Hall of Fame“ kulturökonomischer Werkschau extrahart und gelegentlich auch kurios ist.

Kulturhistorische Museen funktionieren auf Grund ihrer Forschungsfelder – die sollten bei der Diskussion um Museum und Publikum nicht vergessen werden – und ihrer vielschichtigen Sammlungen völlig anders als Kunstmuseen: Sie haben sich mit der Erzählung von Geschichte(n) und gleichzeitig mit der Problematik von Geschichtskonstruktion auseinanderzusetzen, sie sollen gesellschaftliche Phänomene aufgreifen, sammeln und zeigen, sie müssen ihrem diversen und umfassenden Objektbestand entsprechende Pflege und Kontext angedeihen lassen. Kultur, wie sie in solchen Häusern gedacht und bearbeitet wird, ist ein dynamischer Prozess, innerhalb dessen es gilt, mitzuschreiben und – soweit es die Ressourcen ermöglichen – zu thematisieren. Ausstellungen sind dort letztendlich nur ein Bereich der geleisteten Kulturarbeit.

Was die Institution Österreichisches Museum für Volkskunde ausmacht, ist ihre moderate Größe und Eigenständigkeit: Das macht sie flexibel und nahbar für verschiedene Randbereiche und Schnittstellen kulturellen Ausdrucks. Wer das Programm der letzten Jahre verfolgt hat, wird einige qualitative Beispiele dazu finden. Gerald Matts angedeuteter Zweifel an einer Museumsholding ist berechtigt. Große Strukturen fördern Ineffektivität und Schwerfälligkeit. Vergessen Sie unter solchen Bedingungen dann die Mission Statements und verlieren Sie den Glauben an die thematische Freiheit und Kreativität! Welche Kraft im Beziehungsdreieck Geld – Quote – Content wird immer die stärkere sein? Leider funktioniert Öffentlichkeit und damit Politik über die ersten beiden Beziehungsfelder, das wird sich auch in großen Strukturen nicht ändern.

Die Idee zu einem Haus der Kulturen gab es von ministerieller Seite schon Ende der 1980er Jahre, verortet ausgerechnet am Gelände des heutigen Museumsquartiers. Nicht zuletzt die Völkerkunde selbst hat sich damals verweigert. Das realisierte Projekt Quai de Branly in Paris ist bei Fachleuten umstritten und das Konzept seiner Dauerausstellung ist zumindest zu hinterfragen. In Augenhöhe befinden sich dort zu Kunstwerken erhobene Objekte kolonialen und postkolonialen Sammelns.

Eine vielfältige Museumsszene, wie sie Gerald Matt eingangs als Chance der wichtigen und richtigen Intention der Ministerin sieht, ist nicht nur wünschenswert, sondern für einen Kulturstandort wie Wien auch notwendig. Daher sollte der Diskurs über kulturhistorische Museen von den Kunstmuseen und deren Wettbewerbsproblemen abgekoppelt werden und mit denen geführt werden, die ihn in ihrer alltäglichen Arbeit abwickeln.
Aufgaben, Themen und Notwendigkeiten unterscheiden sich zu sehr und die Quoten sind in der institutionalisierten Kulturwissenschaft sekundär.


Matthias Beitl
ist Kurator und stellvertretender Direktor am Österreichischen Museum für Volkskunde

14.07.2007

BERICHT: INSIGHTS - Einblicke und Aktionen



Herbert Justnik und Andreas Gruber: Fotografie/Restaurierung

Samstag: 14. Juli 2007, 14.00 – 16.00 Uhr

Herbert Justnik, Kurator der Fotosammlung des Museums, führt in groben Zügen in den umfangreichen Bestand der Fotosammlung ein. Rund 80.000 Nummern umfasst sie, mehrere tausend sind darüber hinaus noch nicht ordnungsgemäß erfasst.

Im Anschluss zeigt Andreas Gruber, Institut für Papierrestaurierung in Schönbrunn, Beispiele für alle Entwicklungsstufen der Fotografie. Dem Thema der Veranstaltung entsprechend wird dabei vor allem auf Schäden durch falsche Lagerung und Handhabung eingegangen.

13.07.2007

Museum on demand


Eine Intervention auf der Diskurswand schlägt vor, dass das Museum für Volkskunde on demand arbeiten soll: Die sofortige Bearbeitung von Rechercheanfragen entlässt glückliche BesucherInnen und ForscherInnen nach Hause.

Was ist damit gemeint ? BesucherInnen kommen mit ihren Fragen in das Museum. In den Ausstellungsräumen des Projekts museum_inside_out sind die MitarbeiterInnen direkt ansprechbar und können die Anliegen sofort bearbeiten. In der Fülle des vorhandenen Materials aus Bibliothek, Objekt- und Fotosammlung werden die ersten Spuren gefunden, weiterführendes Material kann kurzfristig bereitgestellt werden. Als MitarbeiterIn kann man spartenübergreifend aus der Fülle des Materials schöpfen und eigene Wissenslücken im direkten KollegInnenkontakt schließen.

Die Verarbeitung der Informationen durch die BesucherInnen ist vor Ort möglich, es gibt Schreibplätze mit Laptopanschlüssen und eine Kopiermöglichkeit.
Diese Art der Bearbeitung von wissenschaftlichen Anfragen beschleunigt das eigene Tun, eröffnet aber enorme Chancen zur eigenen Wissenserweiterung und zum Austausch.

12.07.2007

Ausstellungs-Quiz







GOLDHAUBE

Bis in das 19. Jahrhundert besaß jede verheiratete Frau eine Haube. Die Palette reichte je nach Stand und Vermögenslage von einfachen bis zu sehr kostbaren Stücken. Im 17. und 18. Jahrhundert, als Goldmaterial als Zeichen privilegierter Verhältnisse mehr und mehr in Gebrauch kam, wurden die Hauben immer prächtiger. Diese „reiche Goldhaube“ stammt aus dem Wiener oder niederösterreichischen Raum und hat einen Gupf, der in erhöhter Relieftechnik mit Pailletten, Schnürchen, Perlen, Lahn, Plasch und Boullion in Gold ausgeführt ist. Der Schirm wurde aus drei verschiedenen Metallgespinsten in Gold (Schnürchen, Lahn und Plasch) geklöppelt und mit Draht verstärkt. Die Goldhaube ist Symbolträger für das wohlhabende österreichische Bürger- und Bauerntum und ist heute mancherorts noch/wieder Teil der lokalen Tracht.

HUT MIT GAMSBART

Neben Federn war der Gamsbart die Hauptzier des alpenländischen Männerhutes. Der Gamsbart wird aus den Rückenhaaren erwachsener Gamsböcke gemacht und zu einem Pinsel geformt. Gamsbärte waren kostbar und galten als Zeichen besonderen Geschicks bei der Jagd. Heute noch sind sie Teil der Tracht im bayrisch-oberösterreichischen Raum, und es finden sogar Olympiaden um die Pracht des Gamsbarts statt.

Diese Objekte sind Teil einer Präsentation des ÖMV auf der poster session der CECA-Tagung innerhalb der ICOM Generalkonferenz im August 2007. Tagungsteilnehmende sollen damit neugierig gemacht werden und das Volkskundemuseum besuchen, wo sie diese Objekte im Rahmen eines Quiz durch die ständige Schausammlung wieder sehen werden.

06.07.2007

Von Objekten ohne Nummer zu Ohne-Nummer-Nummern



Bericht zur Veranstaltung, 05.07.07, 18.00 Uhr

Elisabeth Egger im Gespräch mit Elisabeth Timm
Moderation: Klara Löffler

Klara Löffler weist eingangs darauf hin, dass das was hier besprochen wird, in einem Museum eigentlich nicht vorkommen darf: Objekte die keine Nummer haben. Positiv formuliert birgt der Zustand auch Vorteile. Denn wenn die Geschichte fehlt, können oder müssen an deren Stelle Interpretationen und neue Assoziationen Platz greifen.

Elisabeth Egger stellt den umfassenden Wirkungsbereich der Inventarnummern im Museum dar. An ihnen hängt alles, dort werden die Beziehungen festgemacht, dort beginnen die Verweise, die das Ding in allen Bereichen musealer Dokumentation verankern.
Komplette Bezugssysteme stellen allerdings eine Idealsituation dar und sind selten.
Warum aber gibt es Objekte ohne Nummern?
Dafür gibt es mehrere Gründe: Sie kommen in das Haus, niemand hat Zeit sie zu inventarisieren, die Zeiten waren schlecht, man war nicht sorgsam, sie werden verstellt, Teile brechen ab, bestehende Nummern verblassen – und sie geraten in Vergessenheit.

Elisabeth Timm bringt einen kurzen Exkurs auf die Wunderkammern des 16./17. Jhdt. Ausstellung und Magazin waren identisch, es gab keine Ordnung nach Nummern sondern nach religiösen bzw. weltanschaulichen Kriterien. Jedes Objekt lag an einem fixierten Ort, die Frage nach zukünftigen Sammlungsstrategien war durch die Abgeschlossenheit solcher Sammlungen nicht relevant. Durch die Verwissenschaftlichung der Sammlungsarbeit im 17. /18. Jhdt. entstehen neutralere Ordnungen durch Nummern, neue Sinnordnungen können sich entwickeln.

Was passiert aber wenn die Objekte aus den Sinnordnungen herausfallen? Die Last der „Ohne Nummern Dinge“ muss bewältigt werden. Man versucht zunächst gleiches zu ordnen. Kisten werden mit Teilen gefüllt, neue Zuordnungen entstehen. Über allem schwebt der temporäre Nummernkreis – die „Ohne Nummer Nummern“. In der Kombination der Beschäftigung mit diesen Ansammlungen und dem Alltag der Recherche in Archivalien entstehen neue Vernetzungen der Dinge.

Elisabeth Timm interessiert sich für die plötzlich notwendigen ästhetischen Ansätze zur Neuinterpretation der Objekte, wenn nämlich Serien aus gleichartigen Dingen entstehen und auf deren Einordnung warten.

Das Entdecken von unbekannten Dingen, wenn deren Funktion nicht präsent ist, lässt Assoziationen und freiradikale Ansätze entstehen – das Spiel mit Geschichte und Kontext beginnt. Aber solche Dinge machen auch nervös, denn irgendwie möchte man diese Anhäufungen auch beherrschen. Letztendlich strebt man als Museumsindividuum auch nach der absoluten Ordnung.

Müssen wir Ordnungen durch Kontinuität und Langfristigkeit in der Personalpolitik erhalten? Die Digitalisierung der Daten schafft hier neue Ordnungen, die von der Person des/r Verwalters/in abstrahieren.
Ordnung und Erfassung sind zwei Dinge. Zunächst müssen die Dinge einmal erfasst werden, welche Ordnungen später entstehen ist laut Franz Grieshofer eine sekundäre Angelegenheit.
Jedoch entstehen laufend „Ohne Nummern Nummern“, da sich der Museumsalltag auf die umfassende Arbeit der Inventarisierung negativ auswirkt. Im Museum für Volkskunde ist man jedoch intensiv bemüht, bei allen Neuzugängen Basisinventarisierungen durchzuführen.

Wichtig ist, über assoziative Zuordnungssysteme nachzudenken. Datenbanken bedürfen einer „Emotionalisierung“ der Daten, welche Auskunft über das Lebensschicksal des Objekts geben. Man kann von der Neugeburt eines Dings in der Sammlung sprechen. Eine Lebensgeschichte entwickelt sich: mit einer Herkunftsgeschichte, mit Krisen im Depot, Höhepunkten im Display, Normalität in der Hand des/r Kurators/in, mit Reisen, Erfahrungen – all den Kontexten zwischen Herstellung, Gebrauch, Display und Depot. Aber wo hört das auf?

Wie kann das Museum Objekte in ihrer Unordnung wieder abstoßen? Kann ein Museum vergessen? Das Wiener Stadt- und Landesarchivs hat beispielsweise das „Vergessen“ in sein Leitbild eingeschrieben.
Wegwerfen, Verkaufen und Tauschen – ist das ein Weg zur Erleichterung der Sammlungen? In den 1920er Jahren wurden einzelne Sammlungsgegenstände des Museums aus verschiedenen Gründen veräußert. Nach dem II. Weltkrieg hat kein Ding mehr die Sammlung verlassen. Eine Zeit lang wurden viel zu viele Dinge angenommen. Sammeln muss heute strikter und konzipiert geschehen.

Ist das Ausscheiden und Veräußern von Dingen ein Tabu? Ja, es sollte vor der Öffentlichkeit verborgen sein, denn die politisch/gesellschaftliche Reaktion hätte negative Auswirkungen auf das Museum. Letztendlich würde man sagen, dass man durch Verkäufe die Eigenfinanzierung verstärken und durch Ausscheidung die infrastrukturellen Bedingungen entlasten könnte.

Menschen und Dinge leben im Museum an einem Ort – eine Koexistenz, geschrieben entlang einer Geschichte der Thesauri. Das ist noch einmal ein Hinweis auf die Frage nach neu zu denkenden Zuordnungssystemen.

Matthias Beitl

04.07.2007

Spurensuche


Die hausintern "Zwittauer Krippe" genannte, große Landschafts-krippe wurde 1969 aus dem Bestand nachinventarisiert. Sie umfasst Krippenfiguren, Gebäude, Palmen, gemalte Kulissen und Spruchbänder aus Papier. Über den Erwerb der Krippe ist nichts bekannt, er muss aber lange vor 1969 stattgefunden haben, denn ein Foto mit der handschriftlichen Datierung 1922 zeigt die Krippe im mährisch-schlesischen Krippenraum ausgestellt.

Am 3. Juli 2007 wurden im Bestand der Fotosammlung 3 Schwarz-Weiß-Fotografien gefunden, die die Krippe in der Originalaufstellung zeigen. Die Fotografien wurden von Karl Posselt aus Ried im Innkreis 1913 gemacht. Handschriftliche Notizen auf der Rückseite der Fotografien verweisen nach Kirchheim im Innviertel und die Krippe in den Besitz des Pfarrers Josef Pönsch. Wurde hier eine Spur zum Vorbesitzer der Krippe gefunden ?

Weitere Recherchen im Archiv des Museums bringen vielleicht Herkunftsakte ans Tageslicht, die den Erwerb der Krippe belegen können.

DER LACHSKARTON UND DIE SAMMLUNG TREBITSCH


Trebitsch revisited


Diese Verpackung gelangte anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Currachs. Boote aus Irland. Vom Arbeitsgerät zum Nationalsymbol.“ am 17. März 2006 in die Sammlung des Museums.
Der Kurator brachte diesen Lachs – ein Stück keltische Tradition, wie auf der Verpackung geworben wird – als Gastgeschenk mit. Die Verpackung wurde in die Sammlung übernommen, weil sie die Ingredienzien von Tradition und Ursprünglichkeit für ihre Vermarktung nützt.
Das „Currach“ als traditionelles Arbeitsboot an der Westküste Irlands und „keltische Tradition“ bürgen für die Qualität des Produktes.

Der Sammler, Arzt, Ethnologe und Reisende Rudolf Trebitsch (1876-1918) hat dem Museum eine rund 800 Objekte umfassende Sammlung überlassen. Sein Hauptinteresse galt den Hautbooten, wie sie u.a. an der irischen Westküste verwendet wurden. Er promovierte 1911 über Fellboote und primitive Schiffsfahrzeuge. Die irischen Boote rückten ein Objekt der Wiener Sammlung neuerlich in den Blick der Museumsarbeit. Ein Hautboot, das Rudolf Trebitsch 1907 von seiner Reise durch Irland und England mitbrachte und dem Museum übergab, kann nun in einen neuen Kontext gestellt werden.
Was zu Anfang des 20. Jahrhunderts als archaische Besonderheit einer „vergleichenden Volkskunde“ in Wien zugetragen wurde, findet heute in Irland als Identifikationssymbol für Tourismus und regionales Selbstverständnis Anwendung.
Matthias Beitl

03.07.2007

Sommerbeginn in inside out - Einschulung Volontärinnen


Frau E. beim Einschulen der Volontärinnen in die verschiedenen Inventarsysteme. Hier wird gerade intensiv nach Bildzeugnissen der Zwittauer Krippe gesucht. Gefunden wurden Aufnahmen von 1913 von Karl Posselt. Vorbesitzer der Krippe war offensichtlich Pfarrer Josef Pönsch (?). Diese Abbildungen helfen bei der Rekonstruktion des originalen Krippenaufbaus.

28.06.2007

Bericht: Wie die Dinge ins Museum kommen


28.06.07, 18.00 Uhr

Eingangs erläutert Margot Schindler die historischen Bezüge der Sammlung. Es geht dabei um die Protagonisten aus den Anfängen des Museums, um die Förderer und die Sammlungsumwelt zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Michaela Haibl, Institut für europäische Ethnologie Wien, arbeitet sich im Anschluss durch die Bedeutungsebenen der Dinge und zieht ein Beispiel aus der Ausstellung „Ansammlung/Andenken“ im Jahr 2005 heran. Zur Finissage wurden Reste der Ansammlung verlost, sie selbst erhielt eine Mokkakanne aus Aluminium. Haibl verweist auf das Rollenspiel der Dinge, die im Verlauf ihrer Daseinszeit jeweils variablen Deutungsschicksalen folgen. Sie skizziert das Aufladungspotential eines Alltagsgegenstandes anhand von Bedeutungszyklen – also Lebensphasen eines Objekts.
In dem Fall hat die Besitzerin beschlossen, einen Gebrauchsgegenstand daraus zu machen – sie kocht Kaffee damit. Es handelt sich gewissermaßen um ein gerettetes Objekt, denn es befindet sich in seiner eigentlichen Widmungsumgebung. Wo liegt seine Zukunft?

Die Moderatorin, Katerina Kratzmann, ebenfalls Institut für Europäische Ethnologie, spricht in diesem Zusammenhang vom „social life of things“.

Margot Schindler bringt im Anschluss eine Auswahl von Sammlungszugängen auf die Leinwand. Sie zeigt auf die Bewegung der Dinge in das Museum.
Dabei kommt sie auch auf die Entscheidungsmacht bei der Auswahl von Sammlungsgegenständen zu sprechen. Wer entscheidet in der Institution, was angenommen wird oder nicht.
Michaela Haibl merkt an, dass bei der Auswahl der Dinge jetzt viel Aufmerksamkeit auf Kontexte gelegt wird, was aber in den Ausstellungsräumen keinen Niederschlag findet.
Matthias Beitl

museum_inside_out: heute frisch


Donnerstag 28. Juni 2007, 18.00 Uhr
Arbeit am Gedächtnis

Wie die Dinge ins Museum kommen
Margot Schindler im Gespräch mit Michaela Haibl
Moderation: Katerina Kratzmann

Ein Museum lebt vom Sammeln. Dieses organisierte Sammeln unterliegt historischen Bedingungen, persönlichen Interessenslagen, Moden, Zeitströmungen und – sind Sammlungen erst einmal definiert – auch einer gewissen Macht des Faktischen. Wie kommen die Dinge ins Museum? Werden sie geschenkt, gekauft, werden sie aktiv gesucht, finden sie „von selbst“ den Weg ins Museum? Sammelstrategien sind vielfältig und werden in der Gegenwart vermehrt diskutiert.

HERSTELLUNG VON STOFFDRUCKMODEL AUS MESSING

Bei Messingmodel bilden Stifte und Formen aus Messing die erhabenen, Muster tragenden Teile. Diese werden aus Messingdraht unter Zuhilfenahme von härteren Stahlformen gezogen und vor der Weiterverarbeitung abgeschnitten und abgeschliffen. Der hölzerne Trägerblock muss mit einem Formeisen vorgestochen werden, bevor man die Messingteile einschlägt. Ein Werkzeugsatz eines Formstechers enthält 60 bis 70 verschiedene Formeisen.

Messingmodel sind langlebiger als reine Holzmodel, da sich Messing beim Drucken kaum abnützt. Wenn Stifte oder Formen durch das oftmalige Auswaschen der Model locker werden und ausfallen, kann man diese Schäden leicht ausbessern.

Der Beruf der Formstecher war hoch qualifiziert, anerkannt und gut bezahlt. Die Lehrzeit betrug 5 Jahre, die Wanderjahre führten die Gesellen bis nach London und Paris. Von ihren Reisen brachten sie nicht nur Ideen für moderne Dessins mit, sondern auch neue politische Ansätze. Als hoch spezialisierte und somit relativ unkündbare Arbeiter waren sie sehr selbstbewusst und in größeren Manufakturen meist auch politisch aktiv.

HERSTELLUNG VON STOFFDRUCKMODEL AUS HOLZ


Ein Druckmodel besteht meist aus mehreren Schichten Holz: Birnbaum, Ahorn oder Buchsbaum bilden die Trägerschicht. Für die zweite bis vierte Schicht wird weiches Holz verwendet, z.B. Tanne, was die Herstellung billiger macht. Das Holz wird um 90° versetzt verleimt, um ein Verziehen durch das häufige Auswaschen zu verhindern.

Um ein Dessin auf den Holzblock zu übertragen, wird es auf Gelatinefolie geritzt und mit Ruß abgerieben. Die musterbildenden Teile werden farbig ausgemalt, sie bleiben beim fertigen Model als Erhöhungen erhalten und nehmen die Farbe auf. Darum heißt dieses Druckverfahren auch Hochdruck.

Die Flächen zwischen den Motiven werden aus dem Holz herausgestemmt und -geschnitzt - "die Farbe wird gestochen". Dazu verwenden die Formenstecher Hohleisen, Stichel und Messer. Durch zusätzliches Einschlagen von Blechstreifen oder Metallstiften wird eine feinere Musterung möglich.

Um ein exaktes Aneinanderdrucken der Rapporte zu gewährleisten, werden an den Ecken der Model kleine Pass- oder Rapportstifte aus Messing gesetzt. Sie hinterlassen auf dem Stoff kleine Punkte, an denen der Model beim Weiterrücken angesetzt werden kann.

museum_inside_out

Arbeit am Gedächtnis
Ein Diskurs- und Ausstellungsprojekt

Ab 15. Juni können Sie im Österreichischen Museum für Volkskunde Museumsarbeit an drei Tagen pro Woche live erleben. Tausende Objekte aus den verschiedenen Sammlungen des Hauses wandern durch Regale, über Tische, durch die Hände der MitarbeiterInnen. Sie werden registriert, kontrolliert, digitalisiert, bewertet und befragt. Fast der ganze Museumspersonal arbeitet in den Ausstellungsräumen. Der Arbeitsfluss verändert die Präsentation jeden Tag, ständig gibt es etwas Neues zu sehen.

Die Arbeit mit dem vielfältigen Material eines kulturhistorischen Museums bildet den Schwerpunkt dieses Projekts.

Der Prozess selbst hat experimentellen Charakter, nur einige grundlegende Vorgangsweisen sind festgelegt, das Enddatum ist offen. Das Österreichische Museum für Volkskunde spielt in dieser Werkstattsituation mit den herkömmlichen Strukturen und Inhalten des Museum. Sie werden durchbrochen, um einen Diskurs zu etablieren, der nicht nur von ExpertInnen geführt wird, sondern besonders auf das Mitwirken der BesucherInnen aufbaut. Da, wo viele Dinge uninszeniert zu sehen sind, lassen sich Fragen nach deren Bedeutung, Aktualität und Wahrnehmung leichter stellen. Das Museum selbst möchte diesen Dialog für seine inhaltlichen, programmatischen und organisatorischen Perspektiven nützen. Nicht zuletzt agiert dieses Museum mit seinen (geringen) Ressourcen zwischen den Bedürfnissen einer rund 200.000 Inventarnummern umfassenden Sammlung und den Maßstäben der Besucherquote.

Der erste bis Anfang Oktober geplante Programmteil fokussiert auf die Museumsarbeit. Nützen Sie die vielen Angebote für immer wechselnde Einblicke in den Bauch des Museums. Stellen Sie ihre Fragen und hinterlassen Sie Ihre Statements! Wir freuen uns auf Sie.

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Memory work

A Discourse and an Exhibit: A Project

Starting on June 15th, you will be able to experience the Austrian Museum of Folk Life and Folk Art a different way. On three days during the week, you will have the opportunity to see the museum itself at work, live. Thousands of objects from the various collections housed at the museum will move onto shelves, over tables, and through the hands of the museum's employees. These items will be registered, checked, digitized, evaluated and questioned. Almost the entire personnel of the museum will be at work in the exhibition rooms. The workflow itself dictates that what you see will change and be fresh every day. The emphasis of this project is not on objects themselves but on the many ways a cultural museum works with its varied materiel.

The project itself is experimental, and the process open. Only a few basic procedures have been fixed, and even the closing date for this exhibit is not determined. In this workshop-style approach, the Austrian Museum of Folk Life and Folk Art plays with the conventional structures and content of museums generally, and with its own conventions. We want to break through the conventions to start a dialogue about the museum that is not just conducted by experts but also in collaboration with visitors. In spaces and places where objects can be seen without benefit of specific settings or pre-ordained interpretations, it is easier to ask questions about their meaning, or their topicality, or even how one perceives them. The museum itself would like to build on this dialogue for its own future, whether in terms of exhibit contents, programmatic plans, or organizational mandates.

The museum has limited resources. Yet it holds collections that contain, overall, at least 200,000 objects - with their own demands, say, in terms of conservation - and at the same time must also satisfy, enlighten and enrich its visitors. The work in and of the museum, displayed until early October, is the first part.

Use this opportunity to gain ever-changing insights into the museum. Peer behind its curtains! Ask questions, please, of the museum. And pose questions to those who work in the museum. Write down your suggestions and questions. Give us feedback. Communicate! We welcome your visit. We welcome your insights.